„Ein Wiederbeginn ist nicht sinnvoll“

  30.12.2020 •     Handball Männer 1
Der Lehrer Pascal Diederich, seit Anfang 2018 Handballtrainer beim TV Oeffingen, spricht über die Situation seiner Schüler während der Corona-Pandemie, den möglichen Fortgang der Verbandsliga-Saison und das Besondere an seiner Mannschaft.

Für die Handballer der TV Oeffingen endete die vergangene Saison mit dem Sprung in die neu gegründete Verbandsliga. Seit Anfang 2018 leitet Pascal Diederich, 40, die Mannschaft gemeinsam mit Stefan Blind an und schaffte mit ihr gleich zu Beginn den Verbleib in der Landesliga. Für den Realschullehrer ist diese Zeit während der Corona-Pandemie sowohl beruflich als auch sportlich eine nie dagewesene Herausforderung.

Kein Training, kein Spiel, keine Schule. Wie vertreibt sich ein Lehrer und Handballtrainer in dieser außergewöhnlichen Situation die Zeit?

Ich hatte bis vor zwei Wochen noch normal Schule, dann ging es für mich online weiter, da ich eine Abschlussklasse betreue. Es kam bei mir also keine Langeweile auf. Ich bin glimpflich davongekommen, weil bei mir nur vereinzelt Schüler ausgefallen sind, aber keine ganzen Klassen. Aber der Sport fehlt schon.

Sie haben mit der Mannschaft des TV Oeffingen gleich zu Beginn ihrer Amtszeit den Verbleib in der Landesliga gefeiert, später den Sprung in die Verbandsliga. In der aktuellen Corona-Pandemie sind das nur noch ganz ferne Erinnerungen. Oder denken Sie gerade in dieser Zeit oft an die Erfolge zurück?

Das sind absolut geniale Erinnerungen! Allein der Ligaverbleib war sensationell. Wir haben damals in der Rückrunde noch 25 Punkte geholt. Das war ein mega Start mit den Jungs, daran erinnere ich mich super gern zurück. Und auch an alles, was anschließend kam – wir konnten das Team ja im Kern so zusammenhalten, es gab nicht viele Wechsel. Aber das bringt auch die Wehmut, dass wir zurzeit nicht in der Halle sein und Handball spielen können. Aber das ist eben gerade leider so.

Wie erklären Sie sich den unmittelbaren Erfolg beim TV Oeffingen?

Wir hatten in dem Moment einfach das nötige Glück, und die Jungs haben sehr gut mitgezogen. Sie waren in dem Moment wohl zufrieden mit meiner Arbeit. Auch im ersten Spiel unter meiner Leitung beim TV Flein, das wir noch knapp verloren hatten, haben sie gemerkt, dass trotz der Niederlage schon sehr viel funktioniert hat. Von da an ging es stetig bergauf. Die Jungs waren „on fire“ und haben wieder daran geglaubt. Zuvor hat vielleicht nur eine Nuance gefehlt, aus welchen Gründen auch immer. Der knappe Sieg in Schorndorf war dann so etwas wie die Initialzündung. Zudem hatte ich in Stefan Blind von Beginn an einen Co-Trainer an der Seite, der den Verein und die Jungs bestens kannte. Er hat zu diesem Erfolg einen großen Teil beigetragen und mir den Einstieg bei meiner neuen Mannschaft in Oeffingen leichter gemacht.

Wie sehen Sie nun diese erneute Handballpause aus sportlicher Sicht? Sie haben in dieser Verbandsliga-Saison gerade einmal zwei Spiele absolviert.

Da denke ich an meine Zeit als Spieler zurück: Wenn du so lange keinen Sport machen darfst, dann ist das sicherlich auch demotivierend. Eine Pause von drei Monaten, wie wir sie jetzt haben, die haben wir für gewöhnlich nur zwischen zwei Spielzeiten. Jetzt die Spannung hochzuhalten und sich selbst in den Hintern zu treten als Mannschaftssportler, der eh nicht so erpicht darauf ist, sich individuell fit zu halten, fällt doppelt schwer. Zumal wir deshalb Mannschaftssport betreiben, um das alles mit den Mitspielern zu machen. Viele tun sich schon zwischen Saisonende und Vorbereitungsstart schwer, sich laufend oder mit Kraftübungen individuell fit zu halten.

Und wie wirkt sich die Situation auf Ihre Schüler aus?

In meinen Augen bedingt die psychische Belastung auch die physische. Man merkt, dass auch die Schüler weniger Bewegung und weniger Auslauf haben, aber im Großen und Ganzen machen sie anständig mit, und sie kommen ganz gut mit der gesamten Situation zurecht. Sie kommen anders eben zurecht, weil wir ja auch im Unterricht ständig Masken tragen müssen; anders auch, weil wir öfter lüften müssen, speziell jetzt in der kalten Jahreszeit. Ich habe jedoch nicht das Gefühl, dass ein großes Unverständnis da ist. Es ist ein Umstand, der nicht schön ist, den wir uns alle wieder wegwünschen, aber jetzt müssen wir damit leben, und so nehmen die meisten Schüler das auch mit.

Wie könnte es denn im neuen Jahr weitergehen?

Völlig unerheblich, ob das jetzt schulisch oder handballerisch ist, wer zurzeit die Entscheidung treffen muss, der tut mir leid. Egal welche Entscheidungen getroffen werden – es wird immer Stimmen geben, die mit den Beschlüssen und Entscheidungen nicht zufrieden sind. In Sachen Unterricht gibt es, wie schon das ganze Schuljahr über, mehrere Optionen: über den Hybridunterricht, Fernunterricht, den normalen Präsenzunterricht oder Formen, die wir vielleicht selbst noch nicht kennen. Das steht und fällt mit den Fallzahlen. Ich bin selbst gespannt, wie sich die politisch Verantwortlichen im Januar entscheiden werden.

Laut Plan sollte es aber am 11. Januar weitergehen.

Ja, aber für mich geht es direkt nach den Weihnachtsferien in Elternzeit. Das verschafft mir einen kleinen Puffer, mich nicht so schnell auf die neue Situation einstellen zu müssen. Ich glaube aber, dass wir speziell die Abschlussklassen gut auf die Prüfungen vorbereiten können. Aber, um ein wenig Druck rauszunehmen, besteht die Möglichkeit, nicht alle Klassenarbeiten schreiben zu müssen, sofern eine Klasse zu viel Unterrichtsausfall hatte.

Könnte es denn sein, dass dieses individuelle Lernen den Schülern auch schadet? Ihnen fehlt doch das gemeinschaftliche Lernen in der Klasse.

Das kann man so nicht pauschalisieren. Es gibt tatsächlich Klassen, die eine sehr gute Gemeinschaft haben und denen das mit Sicherheit viel ausmacht. Aber so wie in einer Mannschaft gibt es in einer Klasse Mitstreiter, mit denen du dich besser verstehst, mit den anderen dagegen weniger gut. Und mit den guten Freunden kann man sich ja auch abseits der Schule treffen. Das Lernen in der Schule ist nach wie vor wichtig, Digitalisierung hin oder her.

Zurück zum Handball: Sie haben die Mannschaft des TV Oeffingen Anfang des Jahres 2018 übernommen. Wie fällt Ihre sportliche Bilanz heute, gut drei Jahre später, aus?

Die Bilanz in Oeffingen ist durchweg positiv. Zu Beginn der Ligaverbleib, dann hatten wir ein wirklich sehr anständiges Jahr in der Landesliga und zuletzt eine Saison, in der wir ganz vorn mitgespielt haben. Wenn uns das damals im Abstiegskampf jemand gesagt hätte, dass wir wenig später um den Aufstieg mitspielen, den hätten wir wahrscheinlich für verrückt erklärt. Wir konnten uns kontinuierlich weiterentwickeln. Zudem hatten wir in der vergangenen Runde einen großen Kader, der es uns ermöglichte, Ausfälle ohne einen Leistungsabfall zu kompensieren.

Was macht die Oeffinger Handballer aus?

Der Oeffinger Zusammenhalt ist riesig. Man erlebt selten eine Mannschaft, die sich so sehr mit ihrem Ort identifiziert. Das leben die Spieler auf und neben dem Spielfeld. Diese Identifikation spüren auch die Zuschauer, mit Sicherheit ein Grund, weshalb die Halle zu normalen Zeiten gut besucht ist. Zudem setzt sich der Kern der Mannschaft aus Eigengewächsen zusammen, wie zum Beispiel Maximilian Wögerer, Ben Soika, Marius Stolper, Florian Probst, Stefan Straub, Sebastian Bürkle oder auch Marco Schreiner.

Wie können Sie sich die Fortsetzung dieser Saison vorstellen? Die Liga soll ja drei Wochen nach der behördlichen Freigabe des Trainings weitergehen.

Ich hielte das für fahrlässig, wenn wir nur drei Wochen trainieren könnten, bevor wir wieder in den Ligabetrieb einsteigen. Rein von der Belastung her, selbst wenn sich jemand die ganze Zeit fit hält mit Ausdauerläufen oder auch mit Kraftübungen, haben wir mit den schnellen Bewegungen in der Halle, mit den schnellen Richtungswechseln eine ganz andere Belastung der Gelenke. Da reichen keine drei Wochen aus, um uns wieder auf den Spielbetrieb vorzubereiten. Wir haben vor einer Saison drei Monate Zeit, das können wir jetzt nicht in drei Wochen wuppen. Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht, vor lauter „Wir wollen die Runde auf Biegen und Brechen zu Ende spielen“ viele Verletzungen provozieren. Ein Verein hat zudem etliche Kosten zu stemmen. Vielleicht sind Sponsoren weggebrochen, es müssen Hallen gebucht werden, Schiedsrichter müssen bezahlt werden, und das alles ohne Einnahmen von Eintrittsgeldern und Bewirtung. Vielleicht wäre es für die Vereine einfacher, ein Jahr lang auszusetzen. Ich persönlich kann es mir nicht mehr vorstellen, die Runde zu Ende zu spielen. Wir sollten uns auf einen Neustart im September konzentrieren, da können wir dann hoffentlich wieder gelassener an die Sache rangehen. Aufgrund der kurzen Spielzeit sollte es kein Problem sein, die Saison zu annullieren. Der Sport ist geil und macht Spaß, aber es ist wahrscheinlich nicht sinnvoll, die Saison nach der langen Pause jetzt wieder aufzunehmen. Viele Dinge können wir noch gar nicht absehen: Sind alle Spieler spielfähig oder befinden sich manche in Quarantäne? Wie verzerrt dies den Wettbewerb? Können manche Spieler aufgrund der beruflichen Verantwortung gar nicht mehr dabei sein? Da müssen nur in zwei Spielen Leistungsträger fehlen, und man findet sich vielleicht auf einem Abstiegsplatz wieder. Für mich persönlich sind das keine guten Voraussetzungen für einen fairen Wettkampf.

Profi-Handball dagegen läuft weiter. Werden Sie im Januar die Weltmeisterschaft in Ägypten verfolgen?

Ich werde mir die Handball-WM auf jeden Fall anschauen. Die Spieler dort werden ja auch engmaschig getestet. Inwieweit dieser WM-Titel dann nachher wirklich aussagekräftig ist, das wird sich zeigen. Weil es ja auch sein kann, dass während des Turniers Spieler ausfallen können. Oder wie beim deutschen Team, dem aufgrund von Absagen der komplette Abwehrverbund weggebrochen ist (Patrick Wiencek, Hendrik Pekeler und Finn Lemke, Anmerkung der Redaktion). Es könnte also durchaus das eine oder andere überraschende Ergebnis herauskommen.

Und abseits der Handball-WM: Ihre beiden Söhne Josha und Jano dürften sich freuen, dass ihr Papa mehr Zeit für sie hat. Wie geht es Ihrer Familie in dieser außergewöhnlichen Zeit?

Das macht mir selbstverständlich viel Spaß, dass ich jetzt viel Zeit mit den beiden verbringen kann. Ich kann auch abends mal ein Kind ins Bett bringen, ansonsten war ich ja drei Abende pro Woche weg. In familiärer Hinsicht hat so eine Krise auch etwas Positives.

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erstellt von Fellbacher Zeitung (Maximilian Hamm)

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